Highlights des Monats
Auf dieser Seite präsentieren wir Ihnen jeden Monat ein neues Objekt aus der NÖ Landesbibliothek.
Der Mai galt bereits im Mittelalter als „Wonnemonat“ – ein Monat der Blüte, der Schönheit und der Erneuerung. Aus diesem Anlass stellen wir an dieser Stelle ein beachtenswertes Kleinod aus unseren Beständen vor. Schon sehr früh verband die Christenheit diese natürliche Schönheit des Frühlings mit Maria, so werden im übertragenen Sinn vor allem die Lilie und die Rose als Symbolblumen Mariens genannt, die Reinheit und Liebe verkörpern. Maria wird als Inbegriff des neuen Lebens gesehen, so wie der Frühling für neues Leben in der Natur steht. Mariens Tugenden – Reinheit, Glaube, Hingabe – sollten im Monat Mai besonders betrachtet und nachgeahmt werden.
Bereits im 17. Jahrhundert begannen in Italien, insbesondere in Rom, erste Maiandachten. Diese Tradition breitete sich über die Jesuiten schnell aus und wurde im 19. Jahrhundert in der gesamten katholischen Welt sehr populär.
Päpste wie Pius VII. (Anfang des 19. Jh.) und Leo XIII. (Ende des 19. Jh.) haben die Maiandachten offiziell empfohlen und zur weltweiten Verbreitung beigetragen.
Leo XIII. beschrieb in mehreren Enzykliken die besondere Rolle Mariens und des Monats Mai. Besonders in ländlichen Regionen Europas wie Bayern, Österreich, Italien und Spanien ist es bis heute üblich, im Mai tägliche kleine Andachten zu halten.
In diese erwähnte Zeit, Anfang des 17. Jahrhunderts, fällt die entstehende, aufkeimende besondere Marienverehrung im Monat Mai, so auch die Veröffentlichung des hier vorgestellten Werkes aus dem Jahr 1625. Diese jährt sich in diesem Jahr nun zum 400. Male und ist ein gutes Bespiel für diese aufkommende Marienverehrung. Dieses Jahrhundert ist auch die Zeit der großen katholischen Erneuerung, des Hochbarock, die kurz nach der Gegenreformation einsetzt.
Abt Johannes VIII. Bimmel engagierte sich in diesem Sinne sehr für die geistliche Erneuerung des Benediktiner Klosters Lambach im Sinne der katholischen Reform. Ein Ausdruck dieser Bemühungen ist die vorliegende, von ihm 1619 herausgegebene Gebetssammlung „Fasciculus Sacrarum Precum“, die 1625 in Augsburg gedruckt wurde.
Der Titel des Buches, „Fasciculus Sacrarum Precum ex Variis Catholicis Authoribus per admodum Reverendum in Christo Patrem, ac DD Joanne Abbatem Lambacensem in privatum usum collectus“, bedeutet übersetzt in etwa: „Bündel heiliger Gebete von verschiedenen katholischen Autoren, gesammelt vom hochwürdigen, in Christus Vater, Herrn Abt Johannes von Lambach zum privaten Gebrauch“

Herr Abt Johannes Bimmel wird hier als Herausgeber oder Sammler der Texte genannt. Abt Johannes VIII. Bimmel (manchmal auch Johann Bimmel oder Bimmelius), geboren am 17. Mai 1564 in Friedberg (Bayern), war ein katholischer Geistlicher und Theologe des frühen 17. Jahrhunderts und legte am 8. Juli 1583 im Stift Kremsmünster seine feierliche Profess ab; am 30 November 1600 wählten ihn die Konventualen zum 40. Abt des Benediktinerstifts Lambach (Oberösterreich). Seine Amtszeit fiel in eine bewegte Epoche, geprägt vom sich ausbreitenden Protestantismus, der Gegenreformation und den Wirren des Dreißigjährigen Krieges.
Er galt als zielstrebig und manchmal durchaus hart in seinem Kurs, was ihn bei der örtlichen Bevölkerung nicht unbedingt beliebt machte. In dieser Zeit setzte sich Abt Johannes VIII. Bimmel für die Förderung der Bildung ein. So verpflichtete er sich bei seinem Amtsantritt, Kleriker aus seiner Gemeinschaft zum Studium ins Ausland zu schicken. Unter seiner Leitung nahm das Kloster wieder einen Aufschwung. Im Jahr 1634 resignierte er, vermutlich wegen finanzieller Probleme, die sich unter anderem durch die Zerstörung des Klosters während der Bauerkriege (1626 und 1632) in Lambach ergaben. Er verstarb am 25. Jänner 1638 in Kremsmünster.
Ein Porträt von Abt Johannes VIII. Bimmel ist im Stift Lambach erhalten geblieben und gilt als das älteste Bildnis eines Lambacher Abtes, gemalt von Lucas Herz, 1629, Öl/Lw., 85,7 x 75 cm. Das Digitalisat erhielten wir vom Stift Lambach, für dessen freundliche Unterstützung wir herzlich danken.)
Das hier vorgestellte Werk ist eine Sammlung von Gebeten und Andachten, zusammengestellt als eine Auswahl verschiedener katholischer Autoren – eine kompilierte Auswahl aus damals hochgeschätzter spiritueller Literatur.
Es diente ursprünglich wohl der Privatandacht des Abtes und zeigt sehr schön, wie hochgebildete Kleriker private Frömmigkeit pflegten – typisch für die Spiritualität der Barockzeit, auch wenn es inhaltlich unter anderem liturgisch-„öffentliche“ Elemente zur Sakramentenspendung mit Texten zur Tauffeier und Eheschließung in sich birgt. Erkennbar sind aber bereits Elemente der Marienverehrung angelegt. Das Werk kann als ein schönes Beispiel einer katholischen Gebetssammlung aus der Zeit nach dem Trienter Konzil gelten. Es wurde also nicht primär als breites "Volksgebetbuch" gedruckt, sondern war auf eine gebildete, klösterliche Leserschaft ausgerichtet - durchaus auch auf persönliche Versenkung hin konzipiert, mit merklichem marianischem Einschlag, verbunden mit der Bitte um Schutz, Gnade und Erlösung.
Ein Exemplar des „Fasciculus Sacrarum Precum“ befindet sich seit der Auflösung der Bibliothek des Kapuzinerklosters Scheibbs (2011) im Bestand der Niederösterreichischen Landesbibliothek.

Joannes Cassianus:
Über das Gebet
Da uns kein Zögern beim Beten unterbrach und die Zuversicht unserer Bitte mit einer Art Verzweiflung zunichtemachte, sondern wir noch in der Stunde unseres Gebets erhielten, worum wir baten und was wir uns wünschten, dürfen wir nicht daran zweifeln, dass unsere Gebete wirksam zu Gott durchgedrungen sind. Denn ein Mensch hat nur das Recht, gehört zu werden und das zu erlangen, was er im Glauben von Gott gesehen hat oder von dem er geglaubt hat, dass Gott es ihm geben könnte. Denn es ist unwiderruflich; ist dieser Satz unseres Herrn: Jeder; Wenn Sie beten, bitten Sie, glauben Sie daran, dass Sie erhört werden, und die Menschen werden zu Ihnen kommen.

Der vor dem eigentlichen Buchtext eingebundene Kupferstich zeigt den heiligen Adalbero (* um 1010 in Lambach; † 6. Oktober 1090 in Lambach), wie er der Gottesmutter das Model eines Kirchenbaus übergibt. Adalbero war von 1045 bis 1085 Bischof von Würzburg; er ließ den vom heiligen Bruno begonnenen Dombau fortsetzen und ergriff 1057 die Initiative zur Errichtung der Neumünsterkirche (Kollegiatstift St. Johann zu Neumünster) (1058–1063) in unmittelbarer Nähe.
In der rechten unteren Ecke dieser Abbildung sind die Initialen „CGfH“ lesbar, wodurch sich die Möglichkeit zur Identifikation des Künstlers dieser Illustration bietet.
Unterhalb scheint es sich um eine Darstellung des Stiftes Lambach vor seiner Zerstörung 1626 und 1632 zu handeln. Einen Hinweis liefert die Jahreszahl „1619“, womit diese Darstellung der Abtei eine der ältesten überhaupt sein dürfte.
(Im Rotelbuch der Benediktinerabtei Lambach aus den 1630er Jahren hat sich eine Ansicht erhalten, welche ungefähr denselben baulichen Zustand wie der im Buch begegnende Kupferstich wiedergibt: Das Digitalisat verdanken wir dem Stift Lambach.)
Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich folgendes Gebet von Papst Gregor XV. zum Leiden Christi, das vor dem Bild der Frömmigkeit gesprochen werden sollte.
O Herr Jesus Christus, ich bete dich an, wie du am Kreuz hängst und eine Dornenkrone auf deinem Haupt trägst. Ich bitte dich, dass dein Kreuz mich vom peinigenden Engel befreit, Amen. Vater unser, Ave Maria.
O Herr Jesus Christus, ich bete dich an, verwundet am Kreuz, mit Galle und Essig zu trinken gegeben: Ich flehe dich an, und mögen deine Wunden das Heilmittel für meine Seele sein, Amen. Vater unser, Ave Maria.

Mariengebet vor der Messfeier
O Mutter der Frömmigkeit und Barmherzigkeit, allerseligste Jungfrau Maria: Ich, ein elender und unwürdiger Sünder, suche mit ergebenem Herzen und Zuneigung Zuflucht bei Dir und flehe demütig um Deine Barmherzigkeit, dass Du, so wie Dein liebster Sohn, der am Kreuz hängt und für die Erlösung der Menschheit wirkt, gnädigerweise mir, einem elenden Sünder, und allen hier anwesenden Priestern und der ganzen Kirche beistehen mögest, die heute das Sakrament des Opfers des Leibes und Blutes Deines Sohnes darbringen, damit wir, mit der Hilfe Deiner Gnade, im Angesicht der allerhöchsten und unteilbaren Dreifaltigkeit ein würdiges und annehmbares Opfer darbringen können, durch das wir der Verdienste und Versprechen Deines liebsten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, würdig gemacht werden; Der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebte und herrschte.
Exemplarisch für die in diesem Buch begegnende Marienverehrung sei folgendes „frommes Gebet an die Heilige Jungfrau Maria“ in sinngemäßer Übersetzung wiedergegeben.

Sei gegrüßt, Morgenstern, Medizin für Sünder, Prinzessin und Königin der Welt. Nur eine Jungfrau ist würdig, so genannt zu werden: „Errichte einen Schutzschild gegen die Waffen des Feindes, ein Titel deiner Tugend.“ Denn du bist der Stamm Isais, sowie Gott Aaron zu einem Mandelbaum machte und damit die Sünde der Welt hinwegnahm. Du bist eine Scheune, erfüllt von himmlischer Gnade, ich aber bin ein Weber: Du bist diejenige, die in uns dieses Verlangen weckt, erfüllt von der gnädigen Gnade der Sonne, erfüllt von der Gnade Gottes. O auserwählte Braut Gottes, sei für uns der gerade Weg zu ewigen Freuden, wo Frieden und Ruhm herrschen. Du hörst uns immer mit deinem frommen Ohr zu, süßes Meer, Amen.

Die reproduzierte Doppelseite zeigt einen Ausschnitt aus einem Text, der sich mit der Kindstaufe beschäftigt. Der Text wird so gestaltet, dass die liturgisch relevanten Antworten in deutscher Sprache verfasst sind und so die tridentinischen Reformen widerspiegeln.

Auf die letzte bedruckte Seite folgen ein paar handschriftlich beschriebene Blätter, die mit einem Segen zum Schutz vor teuflischen Angriffen und anderen magischen Künsten beginnen.
Autor: Mag. Matthias Németh, MA
Literaturhinweis:
Im Fluss – am Fluss. 950 Jahre Benediktinerstift Lambach. Jubiläumsausstellung im Stift Lambach, 20. März – 26. Oktober 2006. Benediktinerstift Lambach, Lambach 2006
Der St. Pöltner Stadtwald grenzt westlich an das Stadtzentrum an und ist auch unter dem Namen „Kaiserwald“ bekannt, da er zum 40jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. im Jahre 1888 angelegt wurde. Wie auf einer Gedenktafel zu lesen ist, kaufte der „Sparcasse-Verein St. Pölten“ zu diesem Zweck 23 Hektar Grundfläche an und übertrug der Stadtgemeinde die Verantwortung zur Anpflanzung eines Waldes. Im äußeren, südöstlichen Teil dieses Waldes befindet sich der Kalvarienberg. Der Grundstein für dieses Monument entstand bereits in den Jahren 1746/47 unter Beteiligung des Barockbaumeisters Franz Munggenast (1724–1748) und des Bildhauers Peter Widerin (um 1684–1760). Die Anlage ist heute nur mehr in Teilen vorhanden und steht unter Denkmalschutz.
Unsere historische Ansicht des „Calvarienbergs“ findet sich auf einer Ansichtskarte (Druck nach einem Schwarzweiß-Lichtbild), die vom damals, um 1900, in St. Pölten ansässigen Verlag Vinzenz Höfinger[1] vertrieben wurde.
Zur Geschichte des Denkmals: bereits im Jahre 1739 hatte die St. Pöltner Bürgerin Katharina Trinkl testamentarisch die Errichtung dieses Kalvarienberges verfügt; hierfür wurden 800 Gulden im Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten hinterlegt.[2] Als Katharina Trinkl 1740 verstarb, kam das Chorherrenstift lange Zeit seiner Verpflichtung nicht nach. Erst nach der Intervention eines Stadtrates bei der Regierung befahl Maria Theresia am 19. April 1746 dem Stift und der Stadt, den Kalvarienberg zu errichten.[3] Schon kurze Zeit später, am 5. Mai 1746, wurde mit dem Bildhauer Peter Widerin der Vertrag über die Anfertigung von fünf Statuen abgeschlossen und am 15. Mai 1746 der Vertrag mit dem Baumeister Franz Munggenast unterzeichnet: Letztgenannter verantwortete die Maurer- und Aufrichtungsarbeiten.[4] Im Jahre 1760 erfolgte die Fertigstellung der Kalvarienberg-Gruppe durch Peter Widerin und Matthias Munggenast (1729–1798), der nach dem frühen Tod seines Bruders im Jahre 1748 den Familienbetrieb übernommen hatte.
Die Kreuzigungsgruppe umfasst fünf Skulpturen: Christus und die zwei Schächer am Kreuz, daneben Maria und Johannes. Die gesamte Anlage wurde 2021 aufwendig restauriert und erstrahlt nun wieder in neuem Glanz.
Autor: Michael Bauer
[1] Um 1900 fanden Ansichtskarten eine immer stärker werdende Verbreitung. Einer der bekanntesten niederösterreichischen Verlage war die Firma Vinzenz Höfinger, die bereits auch Farbpostkarten in Auftrag gab: Fotografie und Fotografen in St. Pölten: Ausstellung vom 26. Mai bis 1. Juli 1984 im Stadtmuseum St. Pölten [...] ; St. Pöltner Kultur- und Festwochen 1984 (Stadtmuseum St. Pölten, St. Pölten 1984), S. 3.
[2] 1784 wurde das Stift von Kaiser Joseph II. aufgelöst, seit 1785 ist das Gebäude Sitz der neu gegründeten Diözese St. Pölten. Die ehemalige Stiftskirche wurde zur Domkirche.
[3] https://www.st-poelten.at/news/16152-kreuziegungsgruppe-am-kalvarienberg-aufwendig-restauriert
[zuletzt aufgerufen am 17.03.2025]
[4] Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten und ihrer eingemeindeten Ortschaften (=Österreichische Kunsttopographie, Band LIV, Verlag Berger, Horn 1999), S. 439.
![Aquarell über Bleistift, 310 x 240 mm. Beschriftet [rev, andere Hand]: Karner in Zellerndorf Bezeichnet: C. Grefe 1895 [NÖ Landesbibliothek, Topogr. Sammlung, Inv.-Nr. 9.214]](/genticsimagestore/8914a4ead2a0f2d46bb6eb85fe1e5c17-Zellerndorf_Karner.jpg)
[NÖ Landesbibliothek, Topogr. Sammlung, Inv.-Nr. 9.214]
Der aus dem 14. Jahrhundert stammende Sakralbau ist einer der vielen seiner Art in Niederösterreich. Ob kreisförmig, ob polygonal im Grundriss – wie der Zellerndorfer – : Bauten wie dieser prägen die heimische Landschaft in markanter Weise mit.
Als eigenständige Bildmotive begegnen Beinhäuser erst spät: Nach ersten Versuchen im frühen 19. Jahrhundert, das mittelalterliche Kulturerbe zu erfassen, wurden Karner neben anderen Monumenten aus Romanik und Gotik ab den 1840er/50er Jahren systematisch aufgesucht, erforscht und bildlich dokumentiert.
Um eine solche Dokumentation ging es auch Conrad Grefe, der sich jahrzehntelang mit mittelalterlichen Bauwerken beschäftigt und im endenden 19. Jahrhundert viele von ihnen gemalt hat. Etliche seiner Aquarelle fanden gedruckt Eingang in die Bild-Text-Publikation „Alt-Oesterreich“, welche, um 1900 erschienen, die Krönung von Grefes Lebenswerk bildete.
Conrad Grefe (1823-1907) war ein gebürtiger Wiener, welcher unter anderem beim berühmten Maler Thomas Ender (1793-1875) studierte. Er widmete sich unterschiedlichen Drucktechniken, die er virtuos beherrschte; in Erinnerung bleiben wird er jedoch durch seine Ansichten historischer Bauten und Flurdenkmäler – Ansichten, deren viele in der NÖ Landesbibliothek aufbewahrt werden.
Ein Organizer aus dem 18. Jahrhundert
Für uns Kinder des modernen Medienzeitalters ist es kaum vorstellbar, wie Menschen ohne Internet, Ringkalender, Organizer und Pager ihren Alltag organisieren konnten. Zwischen den ersten Einkerbungen zur Bestimmung des abzuliefernden Ernteertrages an den lokalen Gottkönig und dem Eintragen des nächsten Meetings in den Google-Kalender lag eine Epoche des analogen Festhaltens von Ereignissen, Terminen und Vorhaben, welche allesamt gebündelt und in ein externes Gedächtnis übertragen werden sollten: Ein solches analoges Instrument zur persönlichen Organisation soll hier vorgestellt werden.
Ein Blick in die Vergangenheit
Das Idealische Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1800 stellt eine für heutige Gewohnheiten kuriose Mischung aus Kalender, moralischer Geschichtensammlung, Reisebehelf und Wechselkurstabelle dar. Zwischen zwei Buchdeckeln eröffnet sich ein Blick in eine vergangene Welt: ihre Weltsicht, ihrem Grad an zivilisatorischer Organisation und ihre Bedürfnisse.
Im Gegensatz zu anderen Textsorten wie Tagebuch oder Urkunde steht das Idealische Taschenbuch für sich. Es rechtfertigt sich gegenüber keiner Nachwelt, sondern ist zum gegenwärtigen Gebrauch bestimmt. Seine geplante Obsoleszenz (denn nach Ablauf des jeweiligen Erscheinungsjahrs ist es nicht mehr aktuell und muss durch die nächste Ausgabe ersetzt werden) zeigt, was der potentiellen Käufer:innenschaft des Jahres 1800 (beziehungswiese dem Verleger) wichtig gewesen sein dürfte.
Das Büchlein beginnt mit einem Taschenkalender, welcher auch in heutiger Zeit willkommene Informationen wie Tierkreiszeichen, Sonnen- und Mondfinsternisse sowie die jeweiligen Tagesheiligen beinhaltet. Obwohl im kaiserlich-habsburgischen Wien gedruckt, werden auch die Monatsnamen des französischen Revolutionskalenders angeführt. Dieser besaß noch bis 1805 offizielle Gültigkeit.
Der kalendarischen Übersicht folgen mehrere romantische und moralisch belehrende Texte zur Unterhaltung, Sagen- und Märchenmotive aus dem Mittelalter, der Antike und dem Dreißigjährigen Krieg, aber auch orientalisierende Motive werden hier in einem bunten Strauß angeboten.
Dem erzählenden Teil folgt ein umfangreicher Abschnitt mit Informationen wie einer genealogischen Übersicht des Hauses Österreich, einer Übersicht der Zeiten des kommenden und abreisenden Postverkehrs zwischen Wien und den wichtigsten Städten in der Monarchie bzw. dem näheren Ausland, einem Verzeichnis der wichtigsten Messen im In- und Ausland sowie einer Übersicht über Wechselkurse von relevanten Währungen. Es ist erstaunlich, mit welchen Mitteln eine prädigitale Gesellschaft wichtige Informationen auf engem Raum konzentrieren konnte.
Erhaltungszustand
Das Büchlein zeigt deutliche Gebrauchs- und Abnutzungsspuren. Die sattgrüne Farbe des Umschlags ist an etlichen Stellen abgeschliffen. Das Objekt weist die Maße von 12 x 9 x 2 cm mit zahlreichen Kupferstichen auf 134 Seiten auf, praktisch-kompakt zum Einstecken.
Der Taschenkalender weist einen Papiereinband und der Buchblock Fadenbindung auf. Der Block ist auf zwei Bünde geheftet und lässt sich nach wie vor gut durchblättern, wenn auch das Alter eine gewisse Steifigkeit mit sich gebracht hat. Der Aufdruck auf dem Buchrücken ist leider nicht mehr vollständig erhalten.
Ein kunstvoll ausgeführter Vor- bzw. Nachsatz, farblich passend auf die Umschlagsgestaltung abgestimmt, vervollständigt das Erscheinungsbild und verleiht dem Druckwerk ein optisch ansprechendes Äußeres. Das Papier ist von über zwei Jahrhunderten Be- und Abnutzung geprägt, aber ansonsten sehr gut erhalten; auch der Text ist immer noch gut lesbar.
Fazit
Ein Fund wie dieser Taschenkalender, welcher bei der Erschließung eines eingelangten Bestandes entdeckt wurde, zeigt, wie umfangreich und spannend die Arbeit in einer Bibliothek, insbesondere mit historischen Druckwerken, ist. Mit der Pflege und der Bearbeitung des historischen Bestandes leistet die Niederösterreichische Landesbibliothek einen Beitrag zum Erhalt des kulturellen Erbes von Österreich.
Autor: Johannes Haslhofer
Engelbert Dollfuß, geboren am 4. Oktober 1892 in Texing, einer kleinen Gemeinde östlich von Scheibbs, als uneheliches Bauernkind. Gymnasiast im katholischen Knabenseminar in Hollabrunn, erst Priesterseminarist dann Jusstudent in Wien – Mitglied der CV-Verbindung „Franco-Bavaria“ mit dem Wahlspruch „Treu dem Volk, treu dem Glauben“ – schließlich Jurist in Wien. Im Ersten Weltkrieg Offizier an der italienischen Front, 1921 Sekretär des Bauernbundes, 1922 Sekretär und 1927 Direktor der NÖ Landwirtschaftskammer, 1930 Präsident der österreichischen Bundesbahnen, 1931 Landwirtschaftsminister, seit 20. Mai 1932 Bundeskanzler, am 25. Juli 1933 von Nationalsozialisten ermordet. Seither als Kultfigur gleichermaßen verehrt und gehasst. Für die einen ist er das erste österreichische Opfer Hitlers, ein mutiger Kämpfer für die Unabhängigkeit der Alpenrepublik und Märtyrer, für die anderen der „Totengräber der Demokratie“ und Faschist.[1] Kaum ein Politiker in Österreich polarisiert fast 90 Jahre nach seinem Tod im wissenschaftlichen und politischen Diskurs nach wie vor so stark wie Engelbert Dollfuß.
Die Postkartensammlung der NÖ Landesbibliothek umfasst neben zahlreichen Karten historischer Gebäude und Ortsansichten auch sechs Gedenkkarten im Postkartenformat zu niederösterreichischen Denkmälern für den ermordeten Bundeskanzler. Von den sechs Ansichtskarten stellen vier das Denkmal zu Ehren von Engelbert Dollfuß ins Zentrum:
- PK 611/1 38: In die Außenwand der Pfarrkirche in Kirchberg am Wagram eingelassen sieht man einen Halbkreis mit dem Schriftzug „Dr. Dollfuß“ und seinem Sterbejahr. Die Karte zeigt die Einweihung am 4. November 1934.
- Sign. 23.827: Vor der Pfarrkirche in Preßbaum wurde am 7. April 1935 ein unregelmäßiger Felsen mit zwei Plaketten – dem Reliefprofil von Dollfuß mit dem darunter befindlichen Schriftzug „Dollfuss“ sowie links einer kleineren unleserlichen Inschriftentafel – aufgestellt.
- PK 344/1-3: In Grabensee, einem Ortsteil der Gemeinde Asperhofen im Tullnerfeld, stiftete eine Bürgerinitiative 1934 rechts neben der Kapelle zum Hl. Bartholomäus ein aus unbearbeitetem Bruchstein aufgeschichtetes Mahnmal mit einer schief eingearbeiteten weißen Tafel und dem Schriftzug „Dr. Dollfuß“.
- PK 1.100/96: Auf einer Anhöhe bei Raabs/Thaya gab die Vaterländische Front 1934 ein Marterl aus Bruchstein mit Jesus am Kreuz im oberen Teil und einer darunter befindlichen unleserlichen Inschriftentafel zu Ehren von Engelbert Dollfuß in Auftrag.
Auf den anderen beiden Postkarten sieht man zwar ebenfalls Gedenkstätten für den ermordeten Kanzler, allerdings stellen sie dort nicht das Alleinstellungsmerkmal dar:
- PK 1.088/24: Am Kriegerdenkmal in Pulkau für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges wurde 1935 eine zusätzliche Tafel zur Erinnerung mit der Inschrift: „Dem heldenhaften Erneuerer Österreichs Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß in Dankbarkeit gewidmet die Gemeinde Pulkau 1935“ angebracht.
- PK 1.375/2: Auf der letzten Postkarte ist eine breite Straßenansicht umsäumt von Bauernhäusern in Stockern, Gemeinde Meiseldorf (Bezirk Horn) zu sehen. Am Ende der Straße blitzt hinter Bäumen der 1949 abgetragene barocke Turmhelm der zum Zeitpunkt der Aufnahme 1934 bereits nicht mehr in Verwendung stehenden alten Pfarrkirche von Stockern hervor. Im Zentrum der Straßenkreuzung findet sich auf einem flachen Sockel ein Granitblock mit einer eisernen Schale und einer nicht entzifferbaren Inschriftentafel, wobei mittig der Name „Dollfuss“ erkennbar ist.
Alle Postkarten entstanden zeitnah entweder zur Einweihung der Erinnerungsstätten oder kurz danach zwischen 1934 und 1935. Die darauf befindlichen Denkmäler wurden bis auf das Mahnmal in Grabensee allesamt nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich am 12. März 1938 zerstört bzw. entfernt. Heute ist bei keinem dieser Orte mehr ein Hinweis auf Dollfuß erkennbar. In Grabensee wandelte man nach der Entfernung der Inschriftentafel den Erinnerungsstein in ein Kriegerdenkmal um.
Die Verehrung des sogenannten „Märtyrerkanzlers“ setzte unmittelbar nach seiner Ermordung ein und bot den Anlass für die Errichtung unzähliger Dollfuß-Denkmäler in profanen und sakralen Bereichen. Bereits nach dem ersten Attentatsversuch am 3. Oktober 1933 – ebenfalls durch einen Nationalsozialisten – und den darauffolgenden medialen Berichten gab es eine verstärkte Heldenverehrung von Dollfuß. Sein Tod beim NS-Putschversuch am 25. Juli 1934 führte in Folge zum übersteigerten Topos des toten bzw. ewigen Führers.[2] Auf diesem Weg wurde eine Ideologie der nationalen Einheit des österreichischen Volkes konstruiert und Dollfuß als „der erste Verkünder dieses patriotischen Gedankens“ zelebriert.[3] Überall wurde das Epos seines heldenhaften Widerstandes gegenüber dem Nationalsozialismus hervorgehoben, zu einem Gutteil getragen vom medial verbreiteten Foto des auf einer Bank im Bundeskanzleramt liegenden toten Kanzlers mit nacktem Oberkörper, wobei eine Art Verwundbarkeit und Schutzlosigkeit ausstrahlt. Der verbreitete Totenkult für den Führer und Begründer des „neuen Österreich“ war ein wesentlicher Bestandteil der Legitimation des autoritären Staates und ist durchaus vergleichbar mit den übrigen europäischen Diktaturen der 1930er-Jahre. In Österreich verband sich dieser Mythos mit dem christlichen Märtyrergedanken. Es sollte propagandistisch die Eigenständigkeit Österreichs gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschen Reich untermauern, ohne Österreichs „deutsche Sendung“ aufzugeben – also die sprichwörtliche Quadratur des Kreises ermöglichen. In diesem Sinne entstanden zwischen 1934 und 1938 keine Denkmäler für den lebenden Führer und Nachfolger, Kurt von Schuschnigg (1897-1977), sondern für den toten Führer Engelbert Dollfuß.[4] Die enge Beziehung zwischen politischem Katholizismus und dem Ständestaat, deren deutlichster Ausdruck das Konkordat von 1933 ist, ist in der Art und dem Aufstellungsort der Dollfuß-Denkmäler zumeist vor Kirchen bzw. mit religiösen Symbolen versehen ablesbar.
Als „Dollfuß´ lebendiges Denkmal“ wurde die im Mai 1933 von ihm begründete und in Folge so definierte Einheitspartei, Vaterländische Front (VF), von der Bundesregierung mit der Koordinierung und Katalysierung der Denkmalpolitik beauftragt.[5] Bereits einen knappen Monat nach Dollfuß´ Ermordung erließ die Bundesregierung am 9. August 1934 an alle Landesleitungen der VF die Weisung, „dafür Sorge zu tragen, daß [sic] in allen Orten des Bundesgebietes […] ehestens eine Straße oder ein Platz nach dem verewigten Bundeskanzler und Führer Dr. Dollfuß benannt wird“.[6] Im katholisch-christlichsozial geprägten Niederösterreich, der Heimat des Kanzlers, kam man dieser Aufforderung besonders aktiv nach, um die Erinnerung an „ihren Heldenkanzler“ hochzuhalten.[7] Vor allem in den ländlichen Gebieten gab es eine Vielzahl an Eigeninitiativen der einzelnen Gemeinden auf Straßenumbenennungen bzw. Errichtung von Gedenkstätten. Diese flächendeckende Denkmalpolitik ergab nach einer 1936 seitens der VF gezogenen Bilanz insgesamt 3.399 bereits bestehende und 478 im Bau befindliche Dollfuß-Gedenkzeichen in ganz Österreich. Wobei man den Begriff „Gedenkzeichen“ sehr weit denken muss. Die zumeist im Rahmen von politischen Feiern des autoritären „Ständestaates“ eingeweihten Denkmäler reichten von Orts- und Straßenbezeichnungen, einfachen Inschriftentafeln, Büsten, Reliefs, Brunnen sowie einer breiten Palette religiöser Erinnerungskultur in Form von Kreuzen, Kapellen und Marterln bis zu neu errichteten Dollfuß-Gedächtniskirchen. Darüber hinaus gab es sehr ungewöhnliche Gedenkmöglichkeiten, wie Dollfuß-Altäre, Dollfuß-Glocken, Kirchenfenster mit dem Abbild des verewigten Kanzlers, Dollfuß-Kerzen, Dollfuß-Orgeln, ein Dollfuß-Messkleid aus Oberösterreich, Dollfuß-Aussichtswarten, und gipfelte z.B. in Tirol in Umbenennung von Bergspitzen und Brücken, einer Dollfuß-Quelle, einem Dollfuß-Spielplatz und sogar einem Dollfuß-Schießstand. Außerdem zählte man in Österreich fünf sogenannte Dollfuß-Siedlungen. So entstand u.a. in St. Pölten 1933 bis 1935 im Stadtteil Wagram der heute als Hubert-Schnofl-Siedlung bekannte Stadtteil zu Ehren des Kanzlers – mit mehr als 200 Häusern die größte Stadtrandsiedlung außerhalb Wiens. In St. Pölten fand auch eine der größten Einweihungsfeiern für ein Dollfuß-Denkmal statt. Am 20. Oktober 1935 kam die gesamte Regierungsspitze, um der Enthüllung des 1938 wieder niedergerissenen von Rudolf Wondracek (1886-1942) gestalteten Dollfuß-Obelisken am Domplatz gemeinsam mit 20.000 Menschen beizuwohnen.[8]
Nach 1945 zeichnete sich eine grundlegende Einigkeit im Gedenken an die Zeit zwischen 1938 und 1945 ab. So waren doch Verfolgte und Verfolger aus der Zeit des autoritären Ständestaates gleichermaßen Opfer des Nationalsozialismus. In Folge haben einige Beispiele des Dollfußkultes die Zeit der Denkmalstürze überdauert bzw. wurden nach 1945 sogar wiederbelebt.[9] Somit stellen die im Bestand der topographischen Sammlung der NÖ Landesbibliothek befindlichen „Dollfuß-Postkarten“ einen wertvollen zeitgeschichtlichen Hintergrund für eine zukünftige Aufarbeitung der noch immer nicht abgeschlossenen gesellschaftspolitischen Begegnung mit Engelbert Dollfuß in den niederösterreichischen Gemeinden dar.
Autor: Andreas Liška-Birk
Literatur:
Kurt Schuschnigg, Dreimal Österreich, Wien 1937.
Freiwillige Feuerwehr Stockern (Hrsg.), Stockern, Chronik unseres Ortes, Horn 1990.
Eva Dollfuß, Mein Vater. Hitlers erstes Opfer, Wien 1994.
Friedrich Grassegger, Dr. Engelbert Dollfuß: „Heldenkanzler und Führer der Heimat“. Dollfuß-Gedenken und –Denkmäler in Niederösterreich, In: Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.), Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Wien 2011.
Lucile Dreidemy, Der Dollfuß-Mythos. Eine Biographie des Posthumen, Wien 2014.
[1] Friedrich Grassegger, Dr. Engelbert Dollfuß: „Heldenkanzler und Führer der Heimat“, Dollfuß-Gedenken und –Denkmäler in Niederösterreich, In: Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.), Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Wien 2011, S. 566-577.
[2] Lucille Dreidemy, Der Dollfußmythos, eine Biographie des Posthumen, Wien 2014, S. 109.
[3] Kurt Schuschnigg, Dreimal Österreich, Wien 1937, S. 215.
[4] Grassegger, 2011, S. 570.
[5] Dreidemy, 2014, S. 123.
[6] In: Reichspost vom 9. August 1934, S. 8, abgerufen am 12.11.2024.
[7] Grassegger, 2011, S. 571.
[8] Vaterländische Front, Bericht der Bezirksleitung St. Pölten-Stadt über das Jahr 1935, St. Pölten 1936, S. 10.
[9] Markus Glück, Wende: Dollfuß-Platz in Mank bleibt erhalten. In: www.noen.at. NÖN, 11.092022, (abgerufen am 06.12 2024).
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